Auf der fast erfolglosen Suche nach schriftlichem Material fand ich als einziges Stück unter verstaubten Akten eine „Urkunde über den zwischen der evangelischen Kirchengemeinde einerseits und der israelitischen
Kultusgemeinde andererseits abgeschlossenen Kaufvertrag über Immobilien in der Gemarkung Limburg". Danach hat die evangelische Kirche nebst Treppenaufgang 900 Gulden und die darin befindlichen Mobilien mit
Ausnahme der Orgel 500 Gulden gekostet Die Zahlung des Preises geschah innerhalb zweier Jahre in vierteljährlichen Raten.
Die Kirche ist im Obergangsstil erbaut Spitzbogeneingang und Fenster kennzeichnen die Vorderseite, während die dicken Quadern der Längsseiten durch hohe Rundbogenfenster unterbrochen sind. -
Vorerst genügte das kleine Gotteshaus den Bedürfnissen der jüdischen Gemeinde. Bald aber wurden doch Mängel bemerkbar. Die Synagoge lag recht abgelegen in der „Erbach" neben dem jetzigen Katasteramt
Allmählich wuchs die jüdische Gemeinde, und die Sitzplätze genügten nicht mehr. Und so wurde der Bau einer neuen Synagoge immer notwendiger. Um die Wende unseres Jahrhunderts wurde das Werk in Angriff genommen
und im Jahre 1903 fertiggestellt Die Gemeinde konnte die alte, unzureichende Synagoge verlassen. - Die sanitären Missstände waren auf die Dauer unerträglich: Fußboden und Mauern waren feucht - vielleicht durch
die Nähe der Lahn oder den Niederschlag des Salzes, das jahrelang in diesem Raum gelagert hatte. lm Sommer litten die Besucher des Gotteshauses in dem engen, überfüllten Gotteshaus entsetzlich unter der
Hitze und mangelnden Lüftung, im Winter unter der Kälte und Nässe. Für einen Ofen war kein Platz. Heute dient das altersgraue Kirchlein in der Erbach profanen Zwecken; es wird als Lagerraum für Holz, Kohlen und
alte Akten benutzt Tempora mutantur!
Am 1. und 5. September 1903 wurde die neue Synagoge in der Unteren Schiede unter großen Feierlichkeiten eingeweiht Ein stattlicher Bau in maurischem Still Die Kuppel ist von Türmchen flankiert Deutlich hebt sich
das rote Ziegeldach aus dem Weichbild der Stadt ab. Über dem Eingang des Gotteshauses sind die Worte des Psalmisten eingemeißelt:
„ Dies ist das Tor des Herrn. Nur Fromme sollen es durchschreiten!" Psalm 118
Die Beter sind nach Osten gewandt, wo der von Kandelabern umgebene Altar steht Stufen führen zur heiligen Lade, in der Heilige Schriftrollen, die Thora-Rollen aufbewahrt werden. - Zu beiden Seiten sind an der Wand
zwei große Gedenktafeln angebracht, auf denen die Namen der Limburger jüdischen Kriegsopfer verzeichnet sind. - Im vorigen Jahre beging die Gemeinde in feierlicher Weise das 25jährige Bestehen ihres Gotteshauses.
So bieten uns die drei jüdischen Bethäuser Limburgs nicht nur ein Bild der Entwicklung der Gemeinde, sondern sie vermitteln uns auch interessanten kulturhistorischen Rückblick.
aus: Beilage „ Land und Zeit" Nr. 4 vom Nass. Boten Nr. 43, 21. Febr. 1930 "Stil und Rechtschreibung wurden originalgetreu übernommen.
|