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P.Bauer

Jüdische Bethäuser in Limburg

Eine kulturhistorische Betrachtung von Fredi Isaak

Es ist ein düsterer Herbstnachmittag des Jahres 1585. An den dunklen Wänden niederer Giebelhäuser schleichen scheue Gestalten entlang. Man kann Männer und Frauen unterscheiden. Es sind Juden, die am Freitag Abend auf dem Weg zum Gotteshaus sind.

An einem Tore auf dem Fischmarkt machen sie halt Auf ein bestimmtes Klopfzeichen öffnet es sich, um die Wartenden einzulassen. Schweigend wird ein kurzer Hofraum durchschritten. Eine Treppe. Etwa zehn Stufen führen abwärts. Der Torschließer öffnet eine schwere Bohlentüre. Die Besucher befinden sich in einem erhellten Raum. Sie sind am Ziel. Es ist die Gebetsstätte im Keller eines Hauses. Ein mäßig großer fast quadratischer Raum, nur spärlich von Kerzen erhellt Die Männer waschen sich über einem an der Wand ' befindlichen Becken die Hände. - Etwa zehn Bankreihen nehmen die Gläubigen auf. Die Frauen sitzen der Sitte gemäß getrennt von den Männern auf einer Empore. - Jetzt betritt der Kantor das schön verschnitzte Vorbeterpult Der Gottesdienst beginnt

Wir stehen im Mittelalter, in einer Zeit, die für die Juden Deutschlands eine sehr leidensreiche war. Unter dem Vorwand des Ritualmordes, der Hostien­schändung oder Brunnenvergiftung wurden sie zu Tausenden gemordet Die Überlebenden wurden gezwungen, das „Judenzeichen" anzulegen, ein entehrendes Abzeichen in der Form eines gelben Tuchfleckens. Dadurch wurden Sie noch mehr dem Spott des Pöbels ausgesetzt - Synagogen durften sie entweder überhaupt nicht oder nur gegen Bezahlung einer hohen Gebühr errichten. Daher gab es viele geheime und versteckte Betstätten. Das 11. Jahrhundert brachte den Juden die meisten blutigen Verfolgungen, das 15. und 16. die meisten Austreibungen.

Die oben erwähnte Synagoge befand sich im Keller des jetzigen Faßbenderschen Hauses auf dem Fischmarkt Noch heute ist im Kellergewölbe die gut erhaltene Frauengalerie zu sehen. - Diese erste in Limburg nachweisbare Synagoge diente nicht nur um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts als solche, sondern ihre Bedeutung als jüdische Betstätte erstreckt sich sicher auch über das 17. und 18. Jahrhundert, bis im Jahre 1867 die jüdische Gemeinde die evangelische Kirche in der Erbach kaufte, um ein würdigeres Gotteshaus, als man bisher hatte, darin einzurichten.

Dieses Gebäude hat viele Wandlungen durchgemacht Es diente - außer während zweier Jahrzehnte - immer gottesdienstlichen Zwecken. Zuerst gehörte es den Zisterziensermönchen, die darin ihre Kapelle hatten. Das Mutterkloster zu Eberbach bei Eltville, nach dem auch der Platz vor der Kirche „Erbach" benannt ist, hatte hier eine Filiale, ein Zweigkloster, eine sogenannte Rezeptur, das heißt, es war eine Annahmestelle für Zinsen und Pachtabgaben der umwohnenden Bauern darin eingerichtet, die Ländereien des Klosters Eberbach in Pacht hatten. Diesem Kloster war auch ein Krankenhaus angeschlossen, eines der wenigen in der damaligen Zeit Die umliegenden Gebäude und die Kapelle blieben im Besitz des Klosters bis zum Jahre 1803Da kam der Reichsdeputationshauptschluss, der die geistlichen Besitztümer unter weltliche Herrschaft stellte. Der Gebäudekomplex ging in den Besitz des Herzogtums Nassau über. Herzog Wilhelm von Nassau, der das Salzmonopol hatte, verwandte die ehemalige Kapelle als Salzhaus. Am 1. August 1831 ging dann das Salzhaus in den Besitz der Evangelischen Gemeinde über, und zwar vermachte Herzog Wilhelm es ihr als Schenkung. - Die Gemeinde richtete darin ein Gotteshaus ein. Es hatte 80 Sitzplätze. Fast vierzig Jahre beteten in ihm Protestanten, bis 1866 die neue evangelische Kirche fertiggestellt war und, um den Kreis der drei Konfessionen zu schließen, die jüdische Gemeinde die Kapelle als Synagoge kaufte.

Auf der fast erfolglosen Suche nach schriftlichem Material fand ich als einziges Stück unter verstaubten Akten eine „Urkunde über den zwischen der evangelischen Kirchengemeinde einerseits und der israelitischen Kultusgemeinde andererseits abgeschlossenen Kaufvertrag über Immobilien in der Gemarkung Limburg". Danach hat die evangelische Kirche nebst Treppenaufgang 900 Gulden und die darin befindlichen Mobilien mit Ausnahme der Orgel 500 Gulden gekostet Die Zahlung des Preises geschah innerhalb zweier Jahre in vierteljährlichen Raten.

Die Kirche ist im Obergangsstil erbaut Spitzbogeneingang und Fenster kennzeichnen die Vorderseite, während die dicken Quadern der Längsseiten durch hohe Rundbogenfenster unterbrochen sind. -

Vorerst genügte das kleine Gotteshaus den Bedürfnissen der jüdischen Gemeinde. Bald aber wurden doch Mängel bemerkbar. Die Synagoge lag recht abgelegen in der „Erbach" neben dem jetzigen Katasteramt Allmählich wuchs die jüdische Gemeinde, und die Sitzplätze genügten nicht mehr. Und so wurde der Bau einer neuen Synagoge immer notwendiger. Um die Wende unseres Jahrhunderts wurde das Werk in Angriff genommen und im Jahre 1903 fertiggestellt Die Gemeinde konnte die alte, unzureichende Synagoge verlassen. - Die sanitären Missstände waren auf die Dauer unerträglich: Fußboden und Mauern waren feucht - vielleicht durch die Nähe der Lahn oder den Niederschlag des Salzes, das jahrelang in diesem Raum gelagert hatte.  lm Sommer litten die Besucher des Gotteshauses in dem engen, überfüllten Gotteshaus entsetzlich unter der Hitze und mangelnden Lüftung, im Winter unter der Kälte und Nässe. Für einen Ofen war kein Platz. Heute dient das altersgraue Kirchlein in der Erbach profanen Zwecken; es wird als Lagerraum für Holz, Kohlen und alte Akten benutzt Tempora mutantur!

Am 1. und 5. September 1903 wurde die neue Synagoge in der Unteren Schiede unter großen Feierlichkeiten eingeweiht Ein stattlicher Bau in maurischem Still Die Kuppel ist von Türmchen flankiert Deutlich hebt sich das rote Ziegeldach aus dem Weichbild der Stadt ab. Über dem Eingang des Gotteshauses sind die Worte des Psalmisten eingemeißelt:

 â€ž Dies ist das Tor des Herrn. Nur Fromme sollen es durchschreiten!"   Psalm 118

Die Beter sind nach Osten gewandt, wo der von Kandelabern umgebene Altar steht Stufen führen zur heiligen Lade, in der Heilige Schriftrollen, die Thora-Rollen aufbewahrt werden. - Zu beiden Seiten sind an der Wand zwei große Gedenktafeln angebracht, auf denen die Namen der Limburger jüdischen Kriegsopfer verzeichnet sind. - Im vorigen Jahre beging die Gemeinde in feierlicher Weise das 25jährige Bestehen ihres Gotteshauses.

So bieten uns die drei jüdischen Bethäuser Limburgs nicht nur ein Bild der Entwicklung der Gemeinde, sondern sie vermitteln uns auch interessanten kulturhistorischen Rückblick.

aus: Beilage „ Land und Zeit" Nr. 4 vom Nass. Boten Nr. 43,   21. Febr. 1930 "Stil und Rechtschreibung wurden originalgetreu übernommen.

 

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