Neue Quelle zum Kinderheim
Von Adolf Morlang
Diez. An die Frühzeit des deutschÂisraelitischen Kinderheims erinnert eine jüngst gefundene Quelle. Es ist ein Spendenaufruf aus Anlass des jüdischen Purimfestes 1894. Es ging offensichtlich darum, noch Gelder
für den großen Neubau zu beschaffen.
Das Purimfesf ist einer der wichtigsten jüdischen Feiertage und liegt mit wechselnden Daten (ähnlich wie Ostern) meist im März eines jeden Jahres. Es ist ein fröhliches Fest und erinnert an die Errettung der
Juden in Persien. Einzelheiten zu den historischen Hintergründen findet man im Alten Testament im Buch Esther. Das Fest wird heute mit Umzügen und Verkleidung gefeiert und erinnert sehr auch an den Karneval.
Im Text werden die „Pflegebefohlenen" bzw. „armen Waisen" erwähnt. Dies waren etwa 40 Jungen, die meistens in die hiesigen Schulen gingen, nachmittags im Heim zusätzlich Unterricht in Hebräisch und
Aufgabenbetreuung erhielten.
Edle Ziele werden dem neuen Haus gesetzt, es sollte ein „großer Tempel edler Menschenliebe" werden. Offensichtlich waren die Heimplätze sehr begehrt, denn es werden „mehr Gesuche um Aufnahme als
bisher" erwähnt.
Die meisten Vorstandsmitglieder kamen laut Schlussabschnitt logischerweise aus Frankfurt. Allerdings taucht überraschend der Gründer S. Lomnitz nicht mehr auf. Dafür wird ganz zum Schluss bereits als
„Hausvater" Herz Kadden genannt, der mit seiner Familie noch bis zur Räumung 1935 im Heim lebte und im Sommer 1942 von Frankfurt ins KZ Theresienstadt deportiert wurde. Vorstandsmitglieder aus der Region
waren Simon Meyer und Leopold Rosenthal aus Diez sowie Rechtsanwalt Memelsdorff aus Limburg.
Das Kinderheim und die Familie Kadden bildeten bis 1935 einen wichtigen gesellschaftlichen Bestandteil der Kleinstadt Diez, an deren einst lebendige jüdische Gemeinde dieser über 100 Jahre alte Text heute erinnern
soll.
Im Mai 1997 wurde am oberen Ende der Schlosstreppe in Diez eine Gedenktafel enthüllt, die an die pogromartige Räumung des deutschÂisraelitischen Kinderheims im August 1935 erinnert. Dieses Heim, das der Verwaltung
der jüdischen Gemeinde in Frankfurt unterstand, war auf Initiative des jüdischen Religionslehrers S. Lomnitz 1888 gegründet worden und 1893 in einen stattlichen Neubau, Schlossbergstraße 23, umgezogen.
Das Haus wurde 1937 von der Stadt Diez käuflich erworben, umgebaut und als Volksschule genutzt. Auch nach dem Krieg stand es bis in die 60er Jahre hauptsächlich für schulische Zwecke zur Verfügung (zum Beispiel
Berufsschule, neu gegründetes Gymnasium) und wurde 1971 im Zuge des Erweiterungsbausdes Krankenhauses und der Anlage eines Parkplatzes abgerissen.
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